Abstandsflächenrecht in Brandenburg

nach der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO) in der Neufassung vom 19. Mai 2016

veröffentlicht im GVBl.I/16, Nr. 14
in Kraft getreten am 1. Juli 2016

Einführung

Seit etwa 1998 stagniert in Brandenburg der Markt für Baugrundstücke. In den Gebieten außerhalb des engeren Verflechtungsraumes Berlin-Brandenburg ist sogar eine stark rückläufige Tendenz zu verzeichnen (siehe aktuellen Grundstücksmarktbericht des oberen Gutachterausschusses). Die Neuerschließung von Baugebieten wird daher für Bauträger zunehmend unattraktiver, sind sie doch immer mit hohen Vorlaufkosten durch unausgenutzte Erschließungsanlagen verbunden.

Potentielle Bauherren weichen zunehmend in bereits erschlossene Gebiete im Innenbereich (§34 BauGB) aus. Oft finden sich hier vollerschlossene Grundstücke zu wesentlich günstigeren Konditionen. Die Verdichtung des Innenbereichs liegt auch im Interesse der Kommunen, werden doch dadurch die vorhandenen Erschließungsanlagen intensiver ausgenutzt. Daher gewinnt das Abstandsflächenrecht bei der städtebaulichen Planung zunehmend an Bedeutung, nimmt doch beim Bauen im Innenbereich der Abwägungsvorgang eine zentrale Rolle ein.

Abstandsflächen haben vor allem eine nachbarschützende Wirkung. Sie sollen eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung der Aufenthaltsräume sichern und dazu beitragen, den sozialen Frieden zwischen den Nachbarn zu wahren. Daher bezeichnet man die Abstandsflächen auch als den notwendigen Sozialabstand.

Mit der neuen Brandenburgischen Bauordnung vom 20. Mai 2016 wurden Anpassungen an die im Jahr 2012 von der Bauministerkonferenz beschlossene Musterbauordung vorgenommen. Ebenso war es Ziel, das Bauordnungsrecht der Länder Berlin und Brandenburg weitestgehend anzugleichen. Wesentliche Änderungen sind:
  • Reduzierung der Tiefe der Abstandsflächen auf 0,4 H und 0,2 H,
  • Wegfall der Bagatellregelung und
  • weitere Begünstigung von Grenzbebauungen.

Das Brandenburgische Abstandsflächenrecht soll im Folgenden vorgestellt und anhand von Beispielen illustriert werden.

Inhalt

Allgemeine Regelungen

BbgBO §6 (1) Satz 1:  Vor den Außenwänden von Gebäuden sind Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten

ein Gebäude mit seinen Abstandsflächen Abb. 1  ein Gebäude mit seinen Abstandsflächen

Grundsätzlich gilt, dass Abstandsflächen von allen Seiten eines Gebäudes zu den jeweiligen Grundstücksgrenzen und zu weiteren Gebäuden freigehalten werden müssen. Die freigehaltenen Flächen (Abstandsflächen) müssen grundsätzlich auf dem Baugrundstück selbst liegen und dürfen in der Regel nicht von Abstandsflächen anderer Gebäude überdeckt werden (Überdeckungsverbot).

Der einzuhaltende Abstand eines Gebäudes zu den Grenzen von nichtöffentlichen Grundstücken wird auch Bauwich genannt.

BbgBO §6 (1) Satz 2: Satz 1 gilt entsprechend für andere Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, gegenüber Gebäuden und Grundstücksgrenzen.

Baulichen Anlagen, die zwar nicht die Begriffsdefinition von Gebäuden erfüllen, von denen aber eine Wirkung bezüglich Belichtung, Belüftung und Besonnung wie von Gebäuden ausgeht, sind ebenfalls nach diesen Vorschriften zu behandeln. Zu den baulichen Anlagen können Hochbassins, Siloanlagen, aber auch Mauern, Wälle, Aufschüttungen, Plakattafeln, Werbeaufsteller, Warenautomaten gehören, soweit sie eine Höhe von 2 m überschreiten. Für Terrassen, die höher als 1 m sind, gelten ebenfalls die Regeln des Abstandsflächenrechts, ein Geländer bleibt bei der Berechnung der Terrassenhöhe unberücksichtigt.

Wirkungen wie von Gebäuden können ebenfalls ausgehen von Hundezwingern und Volieren, für Pergolen, Spielgeräte, ebenerdigen nicht überdachten Stellplätze, Freisitze und Schwimmbecken wird eine gebäudeähnliche Wirkung im Regelfall verneint. Die Beurteilung solcher Anlagen ist stets an den besonderen Umständen des Einzelfalls auszurichten. Regelmäßig sind die Abstandsflächen von Funkmasten und Windenergieanlagen zu beachten.

BbgBO §6 (1) Satz 3: Eine Abstandsfläche ist nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.

Abstandsflächen bei planungsrechtlich vorgeschriebener Grenzbebauung Abb. 2  Abstandsflächen bei planungsrechtlich vorgeschriebener Grenzbebauung

Abstandsflächen sind nicht erforderlich, wenn das Bauwerk mit seiner Außenwand direkt an der Grundstücksgrenze errichtet werden darf oder muss. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Bebauungsplan Doppelhäuser oder Reihenhäuser bzw. eine Blockbebauung (geschlossene Bauweise) vorsieht. Auch im unbeplanten Innenbereich (§34 BauGB) kann oder muss ein Gebäude ohne Abstandsfläche an der Grundstücksgrenze errichtet werden, wenn diese Bauweise in der näheren Umgebung vorwiegt.

Soweit bauplanungsrechtlich eine Grenzbebauung zwar erlaubt, aber nicht vorgeschrieben ist, steht dem Bauherrn ein Wahlrecht zu, ob er an die Grenze anbaut oder die sich ergebende Abstandsfläche einhält. Das Wahlrecht kann im Regelfall nur von beiden Grundstücksnachbarn gemeinsam ausgeübt werden, es ist eine Einigung beider Grundstücksnachbarn über die Art der Bebauung bezüglich der Grundstücksgrenze erforderlich. Kann keine Einigung über einen gemeinsamen Grenzanbau erzielt werden, ist die Abstandsfläche zur Grundstücksgrenze einzuhalten.

Soll nur für einen Teil des zu errichtenden Gebäudes eine zulässige Grenzbebauung in Anspruch genommen werden, haben die übrigen Gebäudeteile den sich aus der Abstandsfläche ergebenden Grenzabstand einzuhalten.

Abstandsflächen für Gebäudeteile ohne Grenzbebauung Abb. 3  Abstandsflächen für Gebäudeteile ohne Grenzbebauung

BbgBO §6 (2) Satz 1: Abstandsflächen sowie Abstände nach §30 Absatz 2 Nummer 1 und §32 Absatz 2 müssen auf dem Grundstück selbst liegen.

Abstandsflächen müssen auf dem Grundstück selbst liegen Abb. 4  Die Abstandsflächen müssen auf dem Grundstück selbst liegen

Somit dürfen die Abstandsflächen des zu errichtenden Gebäudes die Grenzen des Baugrundstücks nicht überschreiten. Mit Ausnahme der im folgenden Satz genannten öffentlichen Verkehrs-, Grün- oder Wasserflächen gilt dies natürlich auch für Grundstücksgrenzen an (noch) nicht bebaubaren Flächen, zum Beispiel land- oder forstwirtschaftlichen Nutzflächen.

Der Verweis auf die §§ 30 und 32 stellt klar, dass auch Brandschutzabstände den selben Anforderungen genügen müssen.

BbgBO §6 (2) Satz 2: Sie dürfen auch auf öffentlichen Verkehrs-, Grün- und Wasserflächen liegen, jedoch nur bis zu deren Mitte.

Zulässige Abstandsfläche auf einer öffentlichen Straße Abb. 5  Zulässige Abstandsfläche auf einer öffentlichen Straße

Auf Flächen, die durch Satzung zur öffentlichen Verkehrs-, Grün- oder Wasserfläche gewidmet sind, dürfen sich die Abstandsflächen eines Bauwerks bis zu maximal deren Mitte erstrecken. Damit ist auch sichergestellt, dass die Abstandsflächen sich gegenüberliegender Bebauungen nicht überdecken.

Auch in Bebauungsplänen als private Verkehrsfläche ausgewiesene Anliegerwege gelten als öffentliche Flächen im Sinne des §6, auch hier dürfen die Abstandsflächen auf den Anliegerflurstücken errichteter Gebäude bis zur Mitte der Verkehrsfläche fallen.

Rechtliche Sicherung von Grenzüberschreitungen

BbgBO §6 (2) Satz 3: Abstandsflächen sowie Abstände im Sinne des Satzes 1 dürfen sich ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstrecken, wenn öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass sie nicht überbaut werden; Abstandsflächen dürfen auf die auf diesen Grundstücken erforderlichen Abstandsflächen nicht angerechnet werden.

Überschreitung der Nachbargrenze Abb. 6  Überschreitung der Nachbargrenze

Die rechtliche Sicherung geschieht durch Eintragung einer Baulast in das von der Bauaufsichtsbehörde geführte Baulastenverzeichnis. Zur Eintragung einer Baulast bedarf es einer gegenüber der Bauaufsichtsbehörde abgegebenen Erklärung des jeweils betroffenen Grundstückseigentümers. Mit der Erklärung übernimmt der Eigentümer für sein Grundstück eine Verpflichtung, ein das Grundstück betreffende Tun, Dulden oder Unterlassen zu übernehmen.

In dem Beispiel der Abbildung 6 tritt der Eigentümer des linken, hier noch unbebauten Grundstücks zugunsten des rechten Nachbarn von dem Recht zurück, die rot markierte Fläche durch ein eigenes Gebäude oder eine Abstandsfläche zu nutzen. Dem linken Grundstück geht diese Fläche als überbaubare Grundstücksfläche verloren. In der Regel wird von den beteiligten Grundstückseigentümern ein einmaliger finanzieller Ausgleich oder eine Rentenzahlung für die Übernahme der Verpflichtung vereinbart.

Die Baulast wirkt für den aktuellen und für alle nachfolgenden Grundstückseigentümer. Sie kann durch Verzicht der Bauaufsichtsbehörde gelöscht werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Baulast nicht mehr besteht, der Grund für die Eintragung entfallen ist.

Die Baulasten sind im §84 geregelt:

BbgBO §84 Baulasten, Baulastenverzeichnis

(1) Durch Erklärung gegenüber der Bauaufsichtsbehörde können Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu einem ihre Grundstücke betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen übernehmen, die sich nicht schon aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben. Erbbauberechtigte können ihr Erbbaurecht in entsprechender Weise belasten. Baulasten werden unbeschadet der Rechte Dritter mit der Eintragung in das Baulastenverzeichnis wirksam und wirken auch gegenüber Rechtsnachfolgerinnen und Rechtsnachfolgern.

(2) Die Erklärung nach Absatz 1 bedarf der Schriftform; die Unterschrift muss öffentlich beglaubigt oder von einer Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurin oder einem Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur oder von der Katasterbehörde beglaubigt sein, wenn sie nicht vor der Bauaufsichtsbehörde geleistet oder vor ihr anerkannt wird.

(3) Die Baulast geht durch Verzicht der Bauaufsichtsbehörde unter. Der Verzicht ist zu erklären, wenn ein öffentliches Interesse an der Baulast nicht mehr besteht. Vor dem Verzicht sollen die oder der Verpflichtete und die durch die Baulast Begünstigten angehört werden. Der Verzicht wird mit der Löschung der Baulast im Baulastenverzeichnis wirksam.

(4) Das Baulastenverzeichnis wird von der Bauaufsichtsbehörde geführt. In das Baulastenverzeichnis können auch eingetragen werden
  1. andere baurechtliche Verpflichtungen des Grundstückseigentümers zu einem sein Grundstück betreffendes Tun, Dulden oder Unterlassen,
  2. Auflagen, Bedingungen, Befristungen und Widerrufsvorbehalte.

(5) ...

Die Bauordnungsbehörde wird im Zuge eines Baugenehmigungsverfahrens soweit notwendig lediglich die Eintragung einer Baulast fordern. Diese dient ausschließlich zur Sicherung öffentlich-rechtlicher Forderungen. Gerade wenn die Anforderungen an den durch die Baulast betroffenen Grundstücksteil über die öffentlich-rechtlichen Anforderungen hinaus ausgestaltet werden sollen, ist der Bauherr gut beraten, wenn er zusätzlich seine privaten Rechte durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit im Grundbuch sichert. Die Bauordnungsbehörde wird die Anforderungen aus der Baulast nur durchsetzen, wenn schützenswerte öffentlich-rechtliche Belange beeinträchtigt sind. Ansprüche aus einer im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit kann der Bauherr auch zivilrechtlich durchsetzen.

Überdeckungsverbot

BbgBO §6 (3) Satz 1: Die Abstandsflächen dürfen sich nicht überdecken; ...

Unzulässige Überdeckung zweier Abstandsflächen Abb. 7  Unzulässige Überdeckung zweier Abstandsflächen

Grundsätzlich dürfen sich Abstandsflächen nicht überdecken. Der zweite Teilsatz regelt die Ausnahmen:

... dies gilt nicht für
1. Außenwände, die in einem Winkel von mehr als 75 Grad zueinander stehen,

Zulässige Überdeckung bei einem Winkel > 75° Abb. 8  Zulässige Überdeckung bei einem Winkel > 75°

Mit dieser Vorschrift ist die Errichtung von versetzt zueinander angeordneten Gebäuden oder der Anbau von Gebäuden über Eck möglich.

... dies gilt nicht für
2. Außenwände zu einem fremder Sicht entzogenen Gartenhof bei Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2,

Zulässige Überschreitung in einem Gartenhof Abb. 9  Zulässige Überschreitung in einem Gartenhof

Auf dem Grundstück selbst dürfen sich die Abstandsflächen von Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 in Innenhöfen überdecken. Das Privileg nach Nr. 2 darf allerdings nicht soweit ausgenutzt werden, dass die Außenwände auf der Abstandsfläche der gegenüberliegenden Wand zu liegen kommen.

... dies gilt nicht für
3. Gebäude und andere bauliche Anlagen, die in den Abstandsflächen zulässig sind.

Zulässiges Bauwerk in der Abstandsfläche Abb. 10  Zulässiges Bauwerk in der Abstandsfläche

Gemäß Abs. 8 sind privilegierte Bauwerke in der Abstandsfläche zulässig (dazu später mehr).

Abstandsflächenberechnung

BbgBO §6 (4) Satz 1+2: Die Tiefe der Abstandsfläche bemisst sich nach der Wandhöhe; sie wird senkrecht zur Wand gemessen. Wandhöhe ist das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand.
...
Das sich ergebende Maß ist H.

Ermittlung der Wandhöhe H Abb. 11a  Ermittlung der Wandhöhe H
Schnittpunkt der Außenwand mit der Dachhaut Abb. 11b  Schnittpunkt der Außenwand mit der Dachhaut

Maßgeblich ist die Höhe des jeweiligen Wandabschnitts über dem Gelände. Dabei ist es unerheblich, ob sich unterschiedliche Wandhöhen aufgrund einer geneigten Dachfläche oder Geländeoberfläche ergeben.

Abstandsfläche bei Dachneigung Abb. 12a  Abstandsfläche bei Dachneigung
Abstandsfläche bei Geländeneigung Abb. 12b  Abstandsfläche bei Geländeneigung

BbgBO §2 (12) Geländeoberfläche ist die natürliche Geländeoberfläche, soweit nicht gemäß � 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs oder in der Baugenehmigung eine andere Geländeoberfläche festgesetzt ist.

Als unterer Bezug für die Ermittlung von Abstandsflächen, die in Richtung Nachbargrenze weisen, ist die ursprüngliche natürliche Geländeoberfläche maßgeblich. Auch eine mit der Baugenehmigung genehmigte Geländeveränderung hat keinen Einfluss auf die Bezugshöhe für die Berechnung dieser Abstandsflächen, da eine Manipulation zu Lasten des Nachbarn unzulässig ist.
Die ursprüngliche Geländeoberfläche wird in dem von einem Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur gefertigten Amtlichen Lageplan, der Bestandteil der zu genehmigenden Bauvorlagen ist, nachgewiesen.

ursprüngliches Gelände als Bezugsfläche für die Abstandsflächenberechnung Abb. 13a  Das ursprüngliche Gelände als Bezugsfläche, ...
ursprüngliches Gelände als Bezugsfläche bei Geländeveränderungen Abb. 13b  ... dieses gilt auch bei Geländeveränderungen

Ist in einem Bebauungsplan die zukünftige Geländeoberfläche festgesetzt, gilt diese als Bezug für die Berechnung von Abstandsflächen.

festgesetzte Geländeoberfläche als Bezug für die Abstandsflächenberechnung Abb. 14  festgesetzte Geländeoberfläche als Bezug

In Gebieten ohne festgesetzte Geländeoberfläche gilt eine genehmigte veränderte Geländeoberfläche als Bezug für lediglich die Abstandsflächen, die nicht in Richtung der Nachbargrenze weisen, die also ausschließlich die Abstände der Gebäude auf dem Baugrundstück selbst bestimmen.

geplante Geländeoberfläche als Bezug für die Abstandsflächenberechnung auf dem Grundstück Abb. 15  geplante Geländeoberfläche als Bezug für Abstandsflächen auf dem Grundstück ( H2 )

BbgBO §6 (4) Satz 3+4: Bei gestaffelten Wänden, bei Dächern oder Dachaufbauten sowie bei vor die Außenwand vortretenden Bauteilen oder Vorbauten ist die Wandhöhe für den jeweiligen Wandabschnitt, Dachaufbau, Vorbau oder das jeweilige Bauteil gesondert zu ermitteln. Das sich ergebende Maß ist H.

Abstandsflächenermittlung für einzelne Bauteile Abb. 16a  Abstandsflächenermittlung für einzelne Bauteile
fiktive Außenwand bei offenen Gebäuden Abb. 16b  fiktive Außenwand bei offenen Gebäuden

Zur Bemessung der Abstandsfläche ist die Wandhöhe des Gebäudes zu bestimmen. Für Bauteile, die nicht mit einer bis zur Geländeoberfläche reichenden Wand abschließen, ist eine fiktive Wandhöhe zu ermitteln. Das betrifft insbesondere den Dachfirst und Dachaufbauten. Bei gestaffelten Wänden ist eine Bestimmung der Wandhöhe und der daraus folgenden Abstandsfläche für jeden Punkt des oberen Gebäudeabschlusses möglich. Überlagern sich Abstandsflächen, so ist die größte ermittelte Abstandsflächentiefe für die Bestimmung der einzuhaltenden Abstandsfläche maßgebend.

Die Tiefe der Abstandsfläche

BbgBO §6 (5) Satz 1: Die Tiefe der Abstandsflächen beträgt 0,4 H, mindestens 3 Meter.

Abstandsfläche am Giebel eines Pultdachs Abb. 17a  Abstandsfläche am Giebel eines Pultdachs
Abstandsfläche am Giebel eines Satteldachs Abb. 17b  Abstandsfläche am Giebel eines Satteldachs

Zur Konstruktion der Abstandsfläche sind die jeweiligen Wandhöhen mit 0,4 zu multiplizieren und rechtwinklig zum Wandabschnitt abzutragen. Da das Mindestmaß einer Abstandsfläche in jedem Fall 3 Meter beträgt, ergibt sich die Abstandsfläche aus der Verschneidung des Abbildes der Wand und der 3 Meter tiefen Mindestfläche.

Abstandsflächenberechnung von Dachaufbauten Abb. 18  Abstandsflächenberechnung von Dachaufbauten

Gemäß Absatz 4 sind die Abstandsflächen für jeden Wandabschnitt und jedes Bauteil gesondert zu ermitteln, die Abstandsfläche des Gebäudes ergibt sich aus der Überlagerung der einzelnen Abstandsflächen.

Im obigen Beispiel (Abb.18) ergeben sich an der Traufseite drei Abstandsflächen. Die Abstandsfläche A1 ergibt sich aufgrund der Außenwandhöhe von 8 m. Diese wird um den Faktor 0,4 reduziert und rechtwinklig und horizontal zum Fußpunkt der Wand abgetragen. Die Dachgaube erzeugt die Abstandsfläche A2. Die Firsthöhe der Gaube von 12 m wird wiederum um den Faktor 0,4 reduziert. Die dabei entstehende Tiefe von 4,8 m wird von dem Fußpunkt der Gaube aus abgetragen, dieser liegt hier im Gebäude. Die Abstandsfläche A2 geht hier fast vollständig in der Abstandsfläche der Traufwand auf, nur die Spitze ragt darüber hinaus. Auch der Dachfirst des Krüppelwalmdachs erzeugt eine Abstandsfläche an der Traufseite. Die auf 5,4 m reduzierte Höhe wird vom Lotpunkt des Firstes abgetragen. Die daraus resultierende Abstandsfläche A3 geht vollständig in der Abstandsfläche A1 unter.

BbgBO §6 (5) Satz 2: In Gewerbe- und Industriegebieten genügt eine Tiefe von 0,2 H, mindestens 3 Meter.

Tiefe der Abstandsfläche Abb. 19  Tiefe der Abstandsfläche

In Gewerbe-, Industriegebieten beträgt die Tiefe der Abstandsflächen lediglich ein Fünftel der maßgeblichen Gebäudehöhe, da hier der nachbarschützenden Wirkung der Abstandsflächen ein geringeres Gewicht beizumessen ist.

BbgBO §6 (5) Satz 4: Werden von einer städtebaulichen Satzung oder einer örtlichen Bauvorschrift nach §87 Außenwände zugelassen oder vorgeschrieben, vor denen Abstandsflächen größerer oder geringerer Tiefe als nach den Sätzen 1 bis 3 liegen müssten, finden die Sätze 1 bis 3 keine Anwendung, es sei denn, die Satzung ordnet die Geltung dieser Vorschriften an.

Hierzu die entsprechende Vorschrift:

BbgBO §87 (2) Die Gemeinde kann durch örtliche Bauvorschriften andere als die nach §6 Absatz 5 vorgeschriebenen Abstandsflächen festsetzen. Die Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen und die Höhe der baulichen Anlagen müssen so bestimmt sein, dass die nach §6 zu berücksichtigenden nachbarlichen Belange abgewogen werden können. Eine geringere Tiefe der Abstandsflächen darf insbesondere zur Wahrung der erhaltenswerten Eigenart und zur städtebaulichen Gestaltung eines bestimmten Ortsteiles festgesetzt werden.

Enthalten örtliche Bauvorschriften zwingende Festsetzungen über geringere oder größere Tiefen von Abstandsflächen, dann gehen diese Festsetzungen den allgemeinen Regeln kraft Gesetzes vor.

Ein Beispiel für eine Abstandsflächensatzung:

Zur Wahrung der bauhistorischen Bedeutung oder sonstigen erhaltenswerten Eigenart des Neustädter Stadtzentrums werden für die nachfolgend aufgeführten Straßen oder Straßenabschnitte geringere Tiefen der Abstandsflächen (H) zu öffentlichen Verkehrsflächen festgelegt, sofern Gründe des Brandschutzes, der Gewährleistung der Belichtung und Belüftung sowie sonstige Belange öffentlicher Ordnung und Sicherheit nicht entgegenstehen:
  • westliche Seite der Kirchstraße von Marktstraße bis Bahnhofstraße 0,35 H
  • ...

Privilegierte Gebäude der Gebäudeklassen 1 und 2

BbgBO §6 (5) Satz 3: : Vor den Außenwänden von Gebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 mit nicht mehr als drei oberirdischen Geschossen genügt als Tiefe der Abstandsfläche 3 Meter.

Die Sonderregelung nach Absatz 6 Satz 3 bringt eine wesentliche Vereinfachung der Abstandsflächenberechnung, genügt doch der überwiegende Teil der Bauvorhaben in Brandenburg den hier formulierten Anforderungen. Die Abstandsflächen reduzieren sich grundsätzlich auf die Mindesttiefe von 3 m, ein besonderer Nachweis ist für diese Gebäude nicht zu erbringen.

Die Gebäudeklassen sind wie folgt definiert:

BbgBO §2

...

(2) Gebäude sind selbstständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und geeignet oder bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen.

(3) Gebäude werden in folgende Gebäudeklassen eingeteilt:
  1. Gebäudeklasse 1:
    1. freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 Meter und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 Quadratmeter Grundfläche und
    2. freistehende land- oder forstwirtschaftlich genutzte Gebäude,
  2. Gebäudeklasse 2: Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 Meter und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 Quadratmeter Grundfläche,

...

Höhe im Sinne des Satzes 1 ist das Maß der Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthaltsraum möglich ist, über der Geländeoberfläche im Mittel. Die Grundflächen der Nutzungseinheiten im Sinne dieses Gesetzes sind die Brutto-Grundflächen; bei der Berechnung der Brutto-Grundflächen nach Satz 1 bleiben Flächen in Kellergeschossen außer Betracht.

Zusammengefasst muss ein Gebäude folgende Bedingungen erfüllen, damit für dieses die pauschalen Abstandsflächen von 3 Meter gelten:
  • das Gebäude darf nicht mehr als drei oberirdische Geschosse aufweisen,
  • das Gebäude darf nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten aufweisen,
  • die Summe aller Grundflächen der oberirdischen Geschosse darf nicht mehr als 400 m² betragen,
  • der Fußboden des höchstgelegenen Geschosses darf nicht mehr als 7 m über dem mittleren Gelände liegen.
Bedingungen für privilegierte Gebäude Abb. 21a  Bedingungen für privilegierte Gebäude
Abstandsflächen der privilegierten Gebäude Abb. 21b  Abstandsflächen der privilegierten Gebäude

Geschosse sind oberirdische Geschosse, wenn ihre Deckenoberkanten im Mittel mehr als 1,40 Meter über die Geländeoberfläche hinausragen; im Übrigen sind sie Kellergeschosse.

Nutzungseinheiten definieren sich als abgeschlossene, einem bestimmten Nutzungszweck zugeordnete Bereiche. Die Nutzungseinheit kann über mehrere Geschosse gehen, die intern miteinander verbunden sind. Zuordnung zu einem bestimmten Nutzungszweck bedeutet, dass diese Nutzungseinheiten allein und selbständig der Nutzung zweckentsprechend genutzt werden können, z.B. Wohnungen, kleine Verwaltungseinheiten, Praxen, kleine Läden usw. einschließlich notwendiger Nebenräume wie Toiletten.

Die Grundflächen der oberirdischen Geschosse sind nach der DIN 277 als Brutto-Grundfläche zu ermitteln. Für die Berechnung der Brutto-Grundfläche sind die äußeren Maße der Bauteile einschließlich Bekleidung, z.B. Putz, in Fußbodenhöhe anzusetzen. Konstruktive und gestalterische Vor- und Rücksprünge an den Außenflächen bleiben dabei unberücksichtigt.

Zu den Geschossen zählen auch nicht ausgebaute Dachgeschosse, wenn in diesen Aufenthaltsräume möglich wären.

Abstandsflächen untergeordneter Bauteile

BbgBO §6 (6) Bei der Bemessung der Abstandsflächen bleiben außer Betracht
  1. vor die Außenwand vortretende Bauteile wie Gesimse und Dachüberstände,
  2. Wintergärten mit nicht mehr als 5 Meter Breite, wenn sie
    1. insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nehmen,
    2. über nicht mehr als zwei Geschosse reichen und nicht mehr als 3 Meter vortreten,
    3. mindestens 2 Meter von der gegenüberliegenden Nachbargrenze entfernt bleiben,
  3. Balkone mit nicht mehr als 5 Meter Breite, wenn sie
    1. insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nehmen,
    2. nicht mehr als 2 Meter vortreten,
    3. mindestens 2 Meter von der gegenüberliegenden Nachbargrenze entfernt bleiben,
  4. sonstige Vorbauten, wenn sie
    1. insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nehmen,
    2. nicht mehr als 1,50 Meter vor diese Außenwand vortreten und
    3. mindestens 2 Meter von der gegenüberliegenden Nachbargrenze entfernt bleiben,
  5. bei Gebäuden an der Grundstücksgrenze die Seitenwände von Vorbauten und Dachaufbauten, auch wenn sie nicht an der Grundstücksgrenze errichtet werden.

Untergeordnete Bauteile erzeugen dann keine eigenen Abstandsflächen, wenn sie die in Absatz 6 genannten Maximalmaße nicht überschreiten.

Dachüberstände und Gesimse sind im Gegensatz zu den im Folgenden aufgeführten Bauteilen hier nicht in ihrer Ausdehnung beschränkt, um keine eigene Abstandsflächen aufzuweisen. Dachüberstände bleiben bei der Bemessung der Abstandsflächen aber nur dann außer Betracht, wenn sie das Merkmal der Unterordnung aufweisen, sie dürfen keine eigene Funktion erfüllen. Eine herausgezogene Dachfläche, die als Unterstand für Fahrzeuge oder als Terrassenüberdachung dient, erfüllt eine eigene Funktion und erzeugt damit eine eigene Abstandsfläche. Der Bauherr ist sicher gut beraten, wenn der Dachüberstand so gestaltet wird, dass er einen Mindestabstand von 2 Meter von der gegenüberliegenden Nachbargrenze einhält.

Für alle anderen Bauteile gilt, dass sie zwingend den Mindestabstand von 2 Meter zur gegenüberliegenden Nachbargrenze einhalten müssen. Dieser Mindestabstand gilt nicht gegenüber Grenzen öffentlicher Grundstücke und auch nicht gegenüber Grundstücksgrenzen, die der seitlichen Wand des Vorbaus zugewandt sind. Wintergärten, Balkone und sonstige Vorbauten dürfen jeweils nicht mehr als 1/3 der Breite der Außenwand einnehmen. Als Breite der Außenwand gilt hier der gesamte zur Grundstücksgrenze weisende Wandabschnitt, auch wenn er durch Versprünge zur Grenze versetzt ist.

Wintergärten dürfen nicht mehr als 3 Meter vor die Außenwand vortreten und über nicht mehr als zwei Geschosse reichen. Zu beachten ist, dass Wintergärten im Sinne der Bauordnung nur selbständig benutzbare Räume sind, die ausschließlich der Überwinterung von Pflanzen dienen. Modern errichtete, umgangssprachlich als Wintergarten bezeichnete Anbauten erfüllen in der Regel nicht diese Maßgaben, da sie dahinterliegende Räume funktional erweitern und als Aufenthaltsraum dienen. Diese Anbauten erzeugen dann eigene Abstandsflächen und müssen nach diesen Maßgaben Abstand zur Grundstücksgrenze und zu benachbarten Gebäuden und deren Abstandsflächen halten.

Balkone wirken sich auf die Tiefe der notwendigen Abstandsflächen dann nicht aus, wenn sie nicht mehr als 2 m vor die Außenwand vortreten. Wenn Balkone die hier genannten Kriterien nicht erfüllen, erzeugen sie eigene Abstandsflächen, als Wandhöhe gilt hier die Oberkante des umfassenden Geländers.

Als sonstige Vorbauten gelten Gebäudeteile, die typischerweise den Vorbauzweck erfüllen, wie zum Beispiel Balkone, Erker, Loggien, Schaufenster oder Türvorbauten.

maximale Tiefen von privilegierten untergeordneten Bauteilen und Vorbauten Abb. 22a  maximale Tiefen von privilegierten untergeordneten Bauteilen und Vorbauten
maximale Breiten von privilegierten untergeordneten Vorbauten Abb. 22b  maximale Breiten von privilegierten untergeordneten Vorbauten

Bei geschlossener Bauweise, bei der die Gebäude an der seitlichen Grundstücksgrenze errichtet werden, erzeugen Seitenwände von Vor- und Dachaufbauten auch dann keine Abstandsflächen, wenn sie nicht unmittelbar an der grenzbebauten Grundstücksgrenze errichtet werden.

Vorbauten und Dachaufbauten bei Grenzbebauung ohne seitliche Abstandsflächen Abb. 23  Vor- und Dachaufbauten bei Grenzbebauung ohne seitliche Abstandsflächen

Abstandsflächen bei Maßnahmen zur Energieeinsparung

BbgBO §6 (7) Bei der Bemessung der Abstandsflächen bleiben Maßnahmen zum Zwecke der Energieeinsparung und Solaranlagen an bestehenden Gebäuden unabhängig davon, ob diese den Anforderungen der Absätze 2 bis 6 entsprechen, außer Betracht, wenn sie
  1. eine Stärke von nicht mehr als 0,25 Meter aufweisen und
  2. mindestens 2,50 Meter von der Nachbargrenze zurückbleiben.

Im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung der Nutzung erneuerbarer Energien und das Erfordernis der Energieeinsparung auch im Hinblick auf die Regelungen der EnEV sieht Absatz 7 eine abstandsflächenrechtliche Privilegierung von Maßnahmen der Wärmedämmung und von Solaranlagen an bestehenden Gebäuden vor. Diese Privilegierung gilt nur für rechtmäßig errichtete Bestandsgebäude, soweit die genannten Maße eingehalten werden. Bei Neubauten sind Wärmedämmung und Solaranlagen Bestandteil der abstandflächenrelevanten Außenhülle des Gebäudes, sie müssen die Maßgaben der Absätze 2 bis 5 erfüllen.

zulässige Wärmedämmung an bestehenden Gebäude Abb. 24  zulässige Wärmedämmung an bestehenden Gebäude

Privilegierte Gebäude ohne eigene Abstandsflächen

BbgBO §6 (8) In den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen sind, auch wenn sie nicht an die Grundstücksgrenze oder an das Gebäude angebaut werden, zulässig
  1. Garagen und Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 Meter und einer Gebäudelänge je Grundstücksgrenze von 9 Meter; die Dachneigung darf 45 Grad nicht überschreiten,
  2. gebäudeunabhängige Solaranlagen mit einer Höhe bis zu 3 Meter und einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 Meter,
  3. Stützmauern und geschlossene Einfriedungen in Gewerbe- und Industriegebieten, außerhalb dieser Baugebiete mit einer Höhe bis zu 2 Meter.
Die Länge der die Abstandsflächentiefe gegenüber den Grundstücksgrenzen nicht einhaltenden Anlagen nach Satz 1 Nummer 1 und 2 darf auf einem Grundstück insgesamt 15 Meter nicht überschreiten.

Garagen und Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten erzeugen keine Abstandsflächen, wenn sie eine mittlere Wandhöhe von 3 Meter und eine Dachneigung von 45 Grad nicht überschreiten. Sie dürfen in beliebigen Abstand zu anderen Gebäuden und auch in deren Abstandsflächen errichtet werden.

Anforderungen an privilegierte Gebäude ohne Abstandsflächen Abb. 25a  Anforderungen an privilegierte Gebäude ohne Abstandsflächen
privilegierte Gebäude ohne Abstandsflächen, zulässige Anordnung Abb. 25b  privilegierte Gebäude ohne Abstandsflächen, zulässige Anordnung

Erfüllt ein Gebäude die genannten Anforderungen, kann es auch auf der Grundstücksgrenze oder in Grenznähe errichtet werden, allerdings darf es dann je Grundstücksgrenze eine Länge von 9 Meter nicht überschreiten. Die maximal zulässige Länge von 9 Meter bezieht sich hier nicht nur auf die zur Grundstücksgrenze zeigende Wand, sondern sie bezieht auch alle überstehenden Bauteile mit ein, die sich in dem grenznahen Schutzbereich von 3 Meter befinden (z.B. Dachüberstände).

Anforderungen an privilegierte grenznahe Gebäude ohne Abstandsflächen Abb. 26a  Anforderungen an grenznahe privilegierte Gebäude ohne Abstandsflächen
privilegierte grenznahe Gebäude ohne Abstandsflächen, zulässige Anordnung Abb. 26b  privilegierte grenznahe Gebäude ohne Abstandsflächen, zulässige Anordnung

Nach dem Nachbarrechtsgesetz soll die zur Grundstücksgrenze weisende Außenwand keine Fenster- oder Türöffnungen aufweisen, es sei denn, es liegt eine schriftlicher Zustimmung des Eigentümers des Nachbargrundstücks vor. Bei einer Bebauung auf der Grundstücksgrenze dürfen auch keine untergeordneten Bauteile die Grenze überschreiten.

Auch darf für das Baugrundstück nicht mehr als 15 Meter Gesamtlänge für diese privilegierten grenznahen Gebäude in Anspruch genommen werden.

zulässige Grenzbebauung Abb. 28  zulässige Grenzbebauung

Ältere Fassungen der Bauordnung ließen die privilegierte Grenzbebauung nur zu, wenn das Gebäude unmittelbar auf der Grenze errichtet wurde. Diese Festlegung wurde bereits mit der vorigen Fassung der brandenburgischen Bauordnung fallen gelassen. Es können die betreffenden Gebäude auch von der Grundstücksgrenze abgerückt werden, ohne dass eine Abstandsfläche eingehalten werden muss.

zulässige grenznahe Bebauung Abb. 29  zulässige grenznahe Bebauung

Bauordnungen anderer Bundesländer schreiben vor, dass ein Mindestabstand einzuhalten ist, sofern von der Grundstücksgrenze abgerückt wird. Die Brandenburger Bauordnung trifft eine solche Festlegung nicht. Der Bauherr sollte aber bei der Wahl des Grenzabstandes beachten, dass der Nachbar seinerseits bis an die gemeinsame Grenze bauen darf. Ein zu gering gewählter Grenzabstand kann den Unterhalt der zum Nachbarn weisenden Wand unmöglich machen.

Grundsätzlich besteht keine Anbauverpflichtung an eine auf dem Nachbargrundstück bereits bestehende Grenzbebauung, auch wenn sich diese Anordnung im Hinblick auf Belichtung und Besonnung beider nachbarlichen Grundstücke oftmals als sinnvollste Lösung ergeben dürfte. Im Regelfall ist das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme ausgeschöpft, soweit die durch die Bauordnung vorgegebenen Bedingungen (Maximalhöhe und Maximallängen) eingehalten werden. Allerdings kann im Einzelfall eine weitergehende Rücksichtnahme durch den Nachbarn verlangt werden, insbesondere dann, wenn die in §34 BauGB geforderten gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse in erheblichem Maße beeinträchtigt werden.

Mit der Brandenburgischen Bauordnung von 2016 wurde die maximal zulässige Höhe des abstandsflächenfreien Gebäudes als mittlere Wandhöhe definiert. Dies ermöglicht auch eine Grenzbebauung mit stärkeren Dachneigungen als auch bei geneigtem Gelände.

mittlere Wandhöhe bei Dachneigung Abb. 30a  mittlere Wandhöhe bei Dachneigung
mittlere Wandhöhe bei Geländeneigung Abb. 30b  mittlere Wandhöhe bei Geländeneigung

Die maximal zulässige Länge entlang des Verlaufes einer Grundstücksgrenze ist hier aus Sicht des Baugrundstücks definiert. Ein annähernd gerader Grenzverlauf des Baugrundstücks gegenüber seinen angrenzenden Grundstücken gilt als eine Grundstücksgrenze, unabhängig von der Anzahl der anliegenden Grundstücke. Die einer Grundstücksgrenze zugeordnete Grenzbebauung eines oder mehrerer Gebäude darf 9 Meter Länge nicht überschreiten.

unzulässige privilegierte Grenzbebauung Abb. 31a  unzulässige privilegierte Grenzbebauung, überschrittene Gebäudelänge
unzulässige privilegierte Grenzbebauung Abb. 31b  unzulässige privilegierte Grenzbebauung, überschrittene Gebäudelänge an einer Grundstücksgrenze
unzulässige privilegierte Grenzbebauung Abb. 31c  unzulässige privilegierte Grenzbebauung, überschrittene Gebäudelängensumme an einer Grundstücksgrenze

Wird ein abstandsflächenfreies Gebäude an mehreren Grenzen errichtet, darf keine der zu Grenze weisende Gebäudelängen mehr als 9 Meter betragen.

zulässige privilegierte Grenzbebauung Abb. 32a  zulässige privilegierte Grenzbebauung
zulässige privilegierte Grenzbebauung Abb. 32b  auch zulässige privilegierte Grenzbebauung, da Anbau an zwei Grundstücksgrenzen

Die maximal zulässige Länge von 9 Meter gilt nur für den jeweiligen Wandabschnitt, dessen Grenzabstand 3 Meter unterschreitet. Die 3 Meter sind rechtwinklig zur Außenwand zu messen.

zulässige Wandlänge bei Grenzbebauung Abb. 33a  zulässige Wandlänge bei Grenzbebauung
zulässige Wandlänge bei Grenzbebauung Abb. 33b  auch zulässige Wandlänge bei Grenzbebauung

Die Gesamtlänge aller auf einem Grundstück errichteten Grenzbebauungen darf nicht mehr als 15 Meter annehmen. Im Gegensatz zu Regelungen in anderen Bundesländern ist auch eine Grenzbebauung zu öffentlichen Grundstücken bei der Berechnung der Summe anzurechnen.

unzulässige privilegierte Grenzbebauung Abb. 34  unzulässige privilegierte Grenzbebauung, überschrittene Gebäudelängensumme auf dem Baugrundstück

Bei der Berechnung der Summe der zulässigen Grenzbebauung sind nur solche Außenwände einzubeziehen, die nach der Regelung des Absatzes 8 privilegiert in Grenznähe errichtet wurden. Nicht mit anzurechnen sind genehmigte, planungsrechtlich zulässige Grenzbebauungen. Dabei kommt es auch nicht auf den Zeitpunkt der Entstehung der Grenzgebäude an.

zulässige privilegierte Nebengebäude bei bestehender planungsrechtlich zulässiger Grenzbebauung Abb. 35  zulässige privilegierte Nebengebäude bei bestehender planungsrechtlich zulässiger Grenzbebauung

Ziel dieser Regelung der maximalen Längen ist, die Ausnutzbarkeit der Baugrundstücke zu erhöhen, dabei aber die Belastung des einzelnen Nachbarn in einem zumutbaren Rahmen zu halten, einen Einmauerungseffekt für das Baugrundstück selbst und für die Nachbargrundstücke zu vermeiden.

Die Beschränkung der zulässigen Grenzbebauung auf Garagen und Gebäude ohne Aufenthaltsräume schließt anderweitige Nutzungen aus. Auch eine nachträgliche Nutzungsänderung ist ohne besondere Regelungen zu den damit neu entstehenden Abstandsflächen nicht genehmigungsfähig. Insbesondere die teilweise Nutzung des grenzständigen Gebäudes als Dachterrasse oder Balkon ist unzulässig.

Die Nutzung des privilegierten Gebäudes soll schonend ausgeübt werden. Entscheidungen von Verwaltungsgerichten werteten eine gewerbsmäßige oder auch die Nutzung einer Grenzgarage als Hobbywerkstatt als eine dem Nachbarn nicht zumutbare Belästigung. Auch sind die mittlere zulässige Höhe überschreitende Bauteile, zum Beispiel Solaranlagen oder Satellitenschüsseln, nach dem Brandenburger Baurecht nicht zulässig. Selbst das Aufstellen von beweglichen Objekten sollte auf dem Dach einer Grenzbebauung vermieden werden, da sie das Nachbargrundstück zusätzlich verschatten und damit das Gebot der Rücksichtnahme verletzen.

Die Dachform einer privilegierten Grenzbebauung wird in der Regel als Flachdach oder zum eigenen Grundstück geneigt ausgeprägt. Mit der Bauordnung von 2016 sind auch andere Dachformen zulässig geworden, soweit sie eine Dachneigung von 45 Grad an der grenzzugewandten Seite an keiner Stelle überschreiten. Bei Dächern, deren Gefälle in Richtung der Grundstücksgrenze verläuft, sind besondere Vorkehrungen zu treffen, die eine Entwässerung auf dem eigenen Grundstück ermöglichen. Eine über die Grundstücksgrenze hinweg angebrachte Dachrinne ist unzulässig.

Ebenso mit der 2016 erfolgten Neufassung der Bauordnung ist die Einbeziehung einer Grenzbebauung unter das Dach des Hauptgebäudes zulässig geworden, soweit die Maßgaben zur Wandhöhe, -länge und Dachneigung eingehalten werden. Allerdings darf auch hier über dem an der Grenze errichteten bauliche Anlage kein Aufenthaltsraum, auch keine Dachterrasse geschaffen werden.

zulässige Einbeziehung einer Grenzbebauung unter das Dach eines Hauptgebäudes Abb. 36a  zulässige Einbeziehung einer Grenzbebauung unter das Dach eines Hauptgebäudes
zulässige privilegierte Grenzbebauung Abb. 36b  zulässige an das Hauptgebäude angebaute Grenzbebauung

Das Hauptgebäude hat in beiden illustrierten Beispielen dabei den erforderlichen Grenzabstand einzuhalten.

Auch wenn die aktuelle Fassung der Bauordnung keine besonderen Anforderungen an die Anordnung von Garagen und Stellplätzen auf dem Grundstück benennt, bedingt das allgemeine nachbarschützende Rücksichtnahmegebot, dass diese zusammen mit ihren Zufahrten soweit möglich auf dem der Straße zugewandten Grundstücksteil zu errichtet werden. Damit sollen die rückwärtigen Flächen der Nachbargrundstücke, die in der Regel der Ruhe und Erholung dienen, nicht unzumutbar beeinträchtigt werden. Dies gilt ebenso für Abstellplätze für Fahrräder.

im Einzelfall unzulässige Anordnung einer Garage mit Zufahrt auf dem Grundstück Abb. 37  im Einzelfall unzulässige Anordnung einer Garage mit Zufahrt

Im Übrigen müssen Garagen gemäß der Brandenburgischen Garagen- und Stellplatzverordnung einen Mindestabstand von 3 Meter zur Fahrbahnkante einer nicht nur mit mäßiger Geschwindigkeit befahrenen öffentlichen Verkehrsfläche halten.

Änderung von Gebäuden

BbgBO §6 (9) An bestehenden Gebäuden sind bei der nachträglichen Errichtung vor die Außenwand vortretender Aufzüge, Treppen und Treppenräume geringere Tiefen von Abstandsflächen zulässig, wenn wesentliche Beeinträchtigungen angrenzender oder gegenüberliegender Räume nicht zu befürchten sind und zu Nachbargrenzen ein Abstand von mindestens 3 Meter eingehalten wird.

Die Regelung des Absatzes 9 wurde mit der Brandenburgischen Bauordnung von 2016 neu eingeführt. Sie erleichtert den nachträglichen Anbau von Aufzügen, Treppen und Treppenräumen im Gebäudebestand. Die Regelung berücksichtigt den demografischen Wandel und das Erfordernis der Nachrüstung zum Beispiel von Aufzügen. Sie schafft zudem Erleichterungen für Ausbauten von Dachräumen und Aufstockungen, die auf zusätzliche bauliche Rettungswege angewiesen sind.

Die Entscheidung, ob mit einem solchen geplanten Anbau keine wesentliche Beeinträchtigung benachbarter Gebäude einhergeht, kann nur im Rahmen einer Abweichung getroffen werden.

im Einzelfall zulässige verringerte Tiefe von Abstandsflächen für Aufzüge und Treppen Abb. 38  im Einzelfall zulässige verringerte Tiefe von Abstandsflächen für Aufzüge und Treppen
BbgBO §6 (10) Bei rechtmäßig errichteten Gebäuden sind die sich ergebenden Abstandsflächen in folgenden Fällen unbeachtlich:
  1. Änderungen innerhalb des Gebäudes,
  2. Nutzungsänderungen, wenn der Abstand des Gebäudes zu den Nachbargrenzen mindestens 2,50 Meter beträgt oder die Außenwand als Gebäudeabschlusswand ausgebildet ist,
  3. die Neuerrichtung von Dachräumen oder Dachgeschossen innerhalb der Abmessungen bestehender Dachräume oder Dachgeschosse,
  4. die Errichtung und Änderung von Vor- und Anbauten, die für sich genommen die Tiefe der Abstandsflächen nach Absatz 5 einhalten,
  5. die nachträgliche Errichtung von Dach- und Staffelgeschossen, wenn deren Abstandsflächen innerhalb der Abstandsflächen des bestehenden Gebäudes liegen.
Satz 1 gilt nicht für Gebäude nach Absatz 8.

Der Absatz 10 betrifft Veränderungen an bestehenden, rechtmäßig errichteten Gebäuden, wenn deren Abstandsflächen die Grundstücksgrenze überschreiten oder sich mit anderen Abstandsflächen überdecken. Bei Veränderungen in und an den Bestandsgebäuden muss die Abstandsflächenfrage nach aktuell geltendem Recht neu beurteilt werden, da der Bestandsschutz mit den Veränderungen entfällt. Die hier beschriebenen fünf abstandsflächenrechtlich zulässige Maßnahmen erfordern keine nachträgliche Sicherung der bestehenden Abstandsflächen nach Abs.2 Satz 3. Auch bedarf es für diese Maßnahmen keiner Abweichungsgenehmigung nach §67 BbgBO. Der Nachbar hat diese bauliche Änderung hinzunehmen.

Nach Nummer 1 sind bauliche Veränderungen innerhalb des bestehenden Gebäudekörpers generell zulässig.

Soweit planungsrechtlich zulässig können nach Nummer 2 Nutzungsänderungen in bestehenden Gebäuden vorgenommen werden, wenn der Brandschutzabstand von 2,50 Meter eingehalten wird oder die betreffende Außenwand als Brandwand (Gebäudeabschlusswand) ausgeführt ist.

Dachgeschosse können nach Nummer 3 aus- und umgebaut werden, soweit die Abmessungen der ursprünglichen Dachkubatur nicht überschritten werden. Dies ermöglicht auch ein Neuaufbau des Dachgeschosses in geringeren Abmessungen gegenüber dem ursprünglichen Zustand.

Nummer 4 lässt Vorbauten zu und ermöglicht den Anbau von Gebäudeteilen, soweit diese den erforderlichen Abstand zu anderen Gebäuden und zur Grundstücksgrenze einhalten.

Nach Nummer 5 sind auch die Neuerrichtung von Dach- und Staffelgeschossen möglich, soweit durch diese Aufbauten die bestehende Abstandsfläche des Gebäudes nicht vergrößert wird.

zulässiger Anbau und Umnutzung bei nicht eingehaltener Abstandsfläche des Hauptgebäudes Abb. 39  zulässiger Anbau und Umnutzung bei nicht eingehaltener Abstandsfläche des Hauptgebäudes

Abstandsflächen von Windkraftanlagen

Auch von Windkraftanlagen, insbesondere von deren Rotorblättern, gehen Wirkungen wie von Gebäuden aus. Somit sind auch für diese baulichen Anlagen Abstandsflächen zu den Grundstücksgrenzen einzuhalten.

Als Bezugskörper wird die (oben und unten abgeflachte) Kugeloberfläche angenommen, die von den umlaufenden Rotorspitzen beschrieben wird. Der Radius RA der Kugel um die Turmachse wird mit der Formel 20.1 aus der Exzentrizität des Rotors e und aus der Länge des Rotorblattes RR berechnet. Ausgehend von der Turmachse beschreibt der Radius RA auch zugleich die vom Rotor überstrichene Fläche (Radius der Projektion der Windkraftanlage).

Ausgehend von der gemäß Absatz 5 geltenden Abstandsflächentiefe ergibt sich der Steigungswinkel α. Aus diesem ergibt sich auch die Konstante im dritten Glied der Formeln 20.22 und 20.32, mit denen der Radius der Abstandsflächentiefe um die Turmachse berechnet wird.

Abstandsflächen von Windkraftanlagen Abb. 40a  Abstandsflächen von Windkraftanlagen
Berechnungsformeln fü Abstandsflächen von Windkraftanlagen Abb. 40b  Berechnungsformeln

Windkraftanlagen befinden sich in der Regel in Sondergebieten im Außenbereich. Unter Umständen ist mittels einer im folgenden Absatz beschriebenen Abweichungsgenehmigung eine Reduzierung der Abstandsflächen auf die vom Rotor überstrichene Fläche möglich.

Der Brandabstand

Die im §6 aufgestellten Abstandsregelungen haben zum Ziel, gesunde Arbeits- und Lebensverhältnisse zu sichern. Dagegen sind die im Abschnitt 4 der Brandenburgischen Bauordnung festgelegten Abstände dazu bestimmt, die Ausbreitung von Feuer und Rauch auf andere Gebäude zu verhindern. Die diesbezüglichen umfangreichen Anforderungen sollen hier nur kurz vorgestellt werden, zumindest soweit, wie sie die Abstände von Gebäuden bezüglich der Grundstücksgrenze festlegen.

BbgBO §30 

(1) Brandwände müssen als raumabschließende Bauteile zum Abschluss von Gebäuden (Gebäudeabschlusswand) oder zur Unterteilung von Gebäuden in Brandabschnitte (innere Brandwand) ausreichend lang die Brandausbreitung auf andere Gebäude oder Brandabschnitte verhindern.
(2) Brandwände sind erforderlich
  1. als Gebäudeabschlusswand, ausgenommen von Gebäude ohne Aufenthaltsräume und ohne Feuerstätten mit nicht mehr als 50 Kubikmeter Brutto-Rauminhalt, wenn diese Abschlusswände an oder mit einem Abstand von weniger als 2,50 Meter gegenüber der Grundstücksgrenze errichtet werden, es sei denn, dass ein Abstand von mindestens 5 Meter zu bestehenden oder nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen künftigen Gebäuden gesichert ist,
  2. ...

Die Außenwände eines Gebäudes müssen als Brandwand ausgeprägt werden, wenn sie näher als 2,50 Meter an die Grundstücksgrenze heranrücken. Ausgenommen von dieser Regelung sind Gebäude ohne Aufenthaltsräume und ohne Feuerstätten mit nicht mehr als 50 Kubikmeter Brutto-Rauminhalt.

Fallbeispiel 1 für eine im Einzelfall mögliche Abweichung Abb. 41a  Brandabstand von 2,50m
Fallbeispiel 2 für eine im Einzelfall mögliche Abweichung Abb. 41b  Brandabstand in Bezug zu den Abstandsflächen

Da der Mindestabstand von Gebäuden zur Grundstücksgrenze nach §6 3 Meter beträgt, ist diese Anforderung in der Regel erfüllt. Nur dort, wo von dem Mindestabstand abgewichen wird, sind zusätzlich die Abstandsregeln des §30 zu beachten.

BbgBO §32 

(1) Bedachungen müssen gegen eine Brandbeanspruchung von außen durch Flugfeuer und strahlende Wärme ausreichend lang widerstandsfähig sein (harte Bedachung).

(2) Bedachungen, die die Anforderungen nach Absatz 1 nicht erfüllen, sind zulässig bei Gebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 3, wenn die Gebäude
  1. einen Abstand von der Grundstücksgrenze von mindestens 12 Meter,
  2. von Gebäuden auf demselben Grundstück mit harter Bedachung einen Abstand von mindestens 15 Meter,
  3. von Gebäuden auf demselben Grundstück mit Bedachungen, die die Anforderungen nach Absatz 1 nicht erfüllen, einen Abstand von mindestens 24 Meter,
  4. von Gebäuden auf demselben Grundstück ohne Aufenthaltsräume und ohne Feuerstätten mit nicht mehr als 50 Kubikmeter Brutto-Rauminhalt einen Abstand von mindestens 5 Meter
einhalten. Soweit Gebäude nach Satz 1 Abstand halten müssen, genügt bei Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 in den Fällen
  1. der Nummer 1 ein Abstand von mindestens 6 Meter,
  2. der Nummer 2 ein Abstand von mindestens 9 Meter,
  3. der Nummer 3 ein Abstand von mindestens 12 Meter.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für
  1. Gebäude ohne Aufenthaltsräume und ohne Feuerstätten mit nicht mehr als 50 Kubikmeter Brutto-Rauminhalt,
  2. ...

Die sogenannte weiche Bedachung ist eine Dacheindeckung, die besonders leicht entzündlich ist. Als weiche Bedachungen gelten Holzschindeln, Stroh, Reet, Schilf oder unbesandete Pappe. Bei diesen Dachbedeckungen besteht die Gefahr, dass sie bei einem Brand des Nachbarhauses durch Hitzentwicklung oder Funkenflug ebenfalls in Brand geraten. Besitzt ein Haus eine weiche Bedachung, muss daher ein besonders großer Abstand zur Grundstücksgrenze oder zu Nachbargebäuden eingehalten werden

Zulassung von Abweichungen

BbgBO §67 (1) Die Bauaufsichtsbehörde kann Abweichungen von Anforderungen dieses Gesetzes und aufgrund dieses Gesetzes erlassener Vorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des §3 Absatz 1, vereinbar sind.
...

Dazu auch die allgemeinen Anforderungen des §3:

BbgBO §3 (1) Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden.

Abweichungen von den Bestimmungen des Bauordnungsrechts können auf Antrag zugelassen werden. Auch im Rahmen einer Baugenehmigung ist ein Abweichungsantrag gesondert zu stellen.
Die Abweichung muss dem Schutzziel der jeweiligen bauaufsichtlichen Anforderung in gleicher Weise entsprechen, es dürfen die öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange nicht beeinträchtigt werden und sie muss mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein. Da die Abstandsflächenvorschrift des § 6 den Rahmen des dem Nachbarn Zumutbaren detailliert vorgibt, ist eine Zulassung ohne Zustimmung des betroffenen Nachbarn nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt.
Insbesondere dann, wenn sich die aus der Abweichung ergebende Benachteiligung die gleiche ist, wie bei einer Bebauung ohne Abweichung, ist eine Zulassung im Einzelfall möglich. Eine Abweichungsgenehmigung kann auch erteilt werden, wenn sich die Beeinträchtigung nur daraus ergibt, dass der Nachbar seinerseits einen dem aktuellen Baurecht widersprechenden Zustand geschaffen hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Nachbargebäude rechtskonform zu älteren Rechtsvorschriften errichtet worden ist und somit Bestandsschutz genießt.

Fallbeispiel 1 für eine im Einzelfall mögliche Abweichung Abb. 42a  Fallbeispiel 1 für eine im Einzelfall mögliche Abweichung
Fallbeispiel 2 für eine im Einzelfall mögliche Abweichung Abb. 42b  Fallbeispiel 2 für eine im Einzelfall mögliche Abweichung

Im Fallbeispiel 1 (Abb. 37a) ist eine Abweichung von der Regel denkbar, dass die Abstandsflächen auf dem Grundstück selbst zu liegen haben. Der durch die Abstandsflächen betroffene Grundstücksteil des Hinterliegergrundstücks kann in keinem denkbaren Fall baulich oder für eigene Abstandsflächen ausgenutzt werden, die betroffene Fläche dient ausschließlich als notwendige Zufahrt zum Gebäude.
Im Beispiel 2 (Abb. 37b) ist die Zulassung einer Abweichung vom Überdeckungsverbot möglich, da der Nachbar seinerseits die Abstandsflächen nicht einhält. Dabei ist es unerheblich, ob das Bestandsgebäude nach seinerzeits geltenden Abstandsflächenregeln rechtmäßig errichtet worden ist.

Abstandsflächen bei Grundstücksteilungen

Das Abstandsflächenrecht ist nicht nur bei der Einordnung von Bauvorhaben zu beachten. Auch bei der Teilung von Grundstücken sind diese Vorschriften maßgebend.

BbgBO §7 (1) Durch die Teilung eines Grundstücks, das bebaut oder dessen Bebauung genehmigt ist, dürfen keine Verhältnisse geschaffen werden, die Vorschriften dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes widersprechen.
...

Neue Grundstücksgrenzen unter Beachtung der Abstandsflächen Abb. 43  Neue Grundstücksgrenzen unter Beachtung der Abstandsflächen

Die neuen Grundstücksgrenzen müssen unter anderem so gebildet werden, dass die Abstandsflächen der Gebäude auf dem zum Gebäude gehörigen Grundstück zu liegen kommen. Die Abstandsflächen können im Ausnahmefall auch durch die neue Grundstücksgrenze geschnitten werden, hierzu ist eine rechtliche Sicherung analog zu §6 Abs.2 Satz 4 notwendig. Die Bauaufsichtsbehörde ist an dem Verwaltungsverfahren zu beteiligen, u.U. ist eine Abweichungsgenehmigung der Bauaufsichtsbehörde notwendig.

Neue Grundstücksgrenzen nach Erteilung einer Abweichungsgenehmigung Abb. 44  Neue Grundstücksgrenzen nach Erteilung einer Abweichungsgenehmigung

Zur Beantragung einer Abweichungsgenehmigung ist in der Regel die Vorlage eines Amtlichen Lageplans notwendig, der die Grundstückssituation, die Gebäude und deren Abstandsflächen und die beantragten neuen Flurstücksgrenzen darstellt.

Das Fenster- und Lichtrecht des Nachbarrechts

Im Gegensatz zu dem Abstandsflächenrecht, das aus öffentlich-rechtlicher Sicht insbesondere auf die Sicherung der gesunden Lebens- und Arbeitsverhältnisse abzielt, will das Fensterrecht des Brandenburgischen Nachbarrechtsgesetzes Belästigungen einschränken, die mit der Einsichtsmöglichkeit vom Nachbargrundstück verbunden sind. Das Lichtrecht will Gewähr leisten, das durch einen nachbarlichen Neubau den in Grenznähe vorhandenen Fenstern das notwendige Licht belassen wird.

Fenster- und Lichtrecht
BbgNRG §20 Inhalt und Umfang
(1) In oder an der Außenwand eines Gebäudes, die parallel oder in einem Winkel bis zu 60° zur Grenze des Nachbargrundstücks verläuft, dürfen Fenster, Türen oder zum Betreten bestimmte Bauteile wie Balkone und Terrassen nur mit schriftlicher Zustimmung des Eigentümers des Nachbargrundstücks angebracht werden, wenn ein geringerer Abstand als 3 m von dem grenznächsten Punkt der Einrichtung bis zur Grenze eingehalten werden soll.
(2) Von einem Fenster oder einem zum Betreten bestimmten Bauteil, dem der Eigentümer des Nachbargrundstücks schriftlich zugestimmt hat oder das nach dem bisherigen Recht angebracht worden ist, müssen er und seine Rechtsnachfolger mit einem später errichteten Bauwerk mindestens 3 m Abstand einhalten. Dies gilt nicht, wenn das später errichtete Bauwerk den Lichteinfall nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt.

Das Fensterrecht des Absatzes 1 regelt den Grenzabstand von Fenstern, Türen und zum Betreten bestimmter Bauteile wie Balkone, Loggien, Galerien, Veranden, Erker, Terrassen und ähnlicher Einrichtungen, wenn sie Ausblick auf das Nachbargrundstück gewähren. Mit den genannten Bauteilen ist grundsätzlich ein Abstand zur Nachbargrenze von 3 m einzuhalten. Bezugspunkt ist die grenznächste Stelle des Bauteils, bei Fenstern und Türen nicht das Mauerwerk der Wandöffnung, sondern der Fenster- oder Türrahmen. Bei Balkonen und Terrassen gilt die Außenkante der betretbaren Fläche als Bezug.
Der Grenzabstand ist horizontal und rechtwinklig zur Grundstücksgrenze zu bestimmen. Von der Regelung erfasst sind nur Bauteile, die parallel oder in einem Winkel bis zu 60° zur Grenze des Nachbarn verlaufen.

Grenzabstand von Fenstern, Türen und zum Betreten bestimmter Bauteile Abb. 25  Grenzabstand von Fenstern, Türen und zum Betreten bestimmter Bauteile

Das Mindestmaß von 3 m gleicht der Mindestabstandsflächentiefe der Bauordnung. Auch durch die unterschiedlichen Maßbezüge entstehen in der Regel keine Konflikte zwischen den öffentlich-rechtlichen Anforderungen der Bauordnung und den privatrechtlichen Ansprüchen aus dem Nachbarrecht. Die Anforderungen des Fenster- und Lichtrechts kommen aber dann in Betracht, wenn die Regelung für untergeordneter Bauteile oder die Zulassung von Abweichungen in Anspruch genommen werden sollen. Soweit damit die Anforderungen des Nachbarrechtgesetzes unterschritten werden sollen, ist die schriftliche Zustimmung des Nachbarn erforderlich. Auch die Unterzeichnung der Bauunterlagen durch den Nachbarn genügt.

Gemäß dem Lichtrecht des Absatzes 2 ist ein Nachbar verpflichtet, einem im 3m-Schutzbereich befindlichen Fenster, dem er zugestimmt hat, das notwendige Licht zu belassen. Er muss mit einem später zu errichtenden Bauwerk 3 m Mindestabstand zum Fenster halten. Selbiges gilt, wenn er vor einem Fenster bauen will, dass nach bisherigen Recht angebracht worden ist.
Das Lichtrecht genießen Fenster und begehbare Bauteile, vor Türen ist kein zwingender Abstand zu halten.

Lichtrecht von Fenstern und zum Betreten bestimmter Bauteile Abb. 26  Lichtrecht von Fenstern und zum Betreten bestimmter Bauteile
BbgNRG §21 Ausnahmen
Eine Zustimmung nach §20 ist nicht erforderlich
  1. für lichtdurchlässige Wandbauteile, wenn sie undurchsichtig, schalldämmend und gegen Feuereinwirkung widerstandsfähig sind,
  2. für Außenwände gegenüber Grenzen zu öffentlichen Verkehrsflächen, zu öffentlichen Grünflächen und zu oberirdischen Gewässern von jeweils mehr als 2 m Breite,
  3. soweit nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften Fenster und Türen angebracht werden müssen und
  4. wenn keine oder nur geringfügige Beeinträchtigungen zu erwarten sind.

Der § 21 regelt die Ausnahmen vom Licht- und Fensterrecht. Ebenso kommen gemäß § 3 des Brandenburgischen Nachbarrechtsgesetztes die Regelungen nicht zur Geltung, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften wie etwa ein Bebauungsplan oder bestandskräftige Verwaltungsakte wie eine Baugenehmigung oder eine Abweichungsgenehmigung dem entgegenstehen.

BbgNRG §22 Ausschluss des Beseitigungsanspruchs
(1) Der Anspruch auf Beseitigung einer zustimmungsbedürftigen Einrichtung, die einen geringeren als den in §20 vorgeschriebenen Abstand hat, ist ausgeschlossen, wenn nicht bis zum Ablauf des auf die Anbringung der Einrichtung folgenden Kalenderjahres Klage auf Beseitigung erhoben worden ist.
(2) Der Anspruch auf Beseitigung einer Einrichtung, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhanden ist, ist ausgeschlossen, wenn
  1. ihr Abstand dem bisherigen Recht entspricht oder
  2. ihr Abstand nicht dem bisherigen Recht entspricht und nicht bis zum Ablauf des auf das Inkrafttreten dieses Gesetzes folgenden Kalenderjahres Klage auf Beseitigung erhoben worden ist.
(3) Wird das Gebäude, an dem sich die Einrichtung befand, oder das Bauwerk beseitigt, so gelten für einen Neubau die §§20 und 21.
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